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Ich über mich | Olympia 1972 |
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CHRISTOPH DRIESSEN /dpa „Viele benutzen diese Wörter, um sich ein kosmopolitisches Flair zu geben“, sagt die Germanistin und Amerikanistin Ulrike Wagner aus New York. Man muss nur darauf achten, dann sieht man überall deutsche Wörter. „Gotti Blitz“ titelt die Boulevardzeitung „New York Post“ und meint damit eine Razziabei einer Mafiafamilie. Im Fernsehen hört man einen Politiker sagen: „There are no verbotens with me!“ Womit er klar macht: Bei ihm gibt es keine Tabu-Fragen. Das Präfix „über" hat es den Amerikanern zur Zeit besonders angetan. Schüler mit zu schweren Tornistern zum Beispiel sind "Überpackers“, und mit „Überkitsch“ könnte man die lebensgroßen Krippen bezeichnen, die sich viele Amerikaner zur. Weihnachtszeit in den Vorgarten stellen. Manchmal wirkt das deutsche Wortgeklingel geradezu übertrieben. Die „New York Times“ stellte jüngst die These auf: „Donald Rumsfeld isn‘t a mensch.“ In der ganzen Regierung Bush klaffe ein riesiges „Mensch Gap“. Was er damit meint, erklärt er so: „Wörtlich übersetzt ist ein Mensch eine Person. Aber impliziert ist, dass ein Mensch eine Person mit Rückgrat ist, die für ihre Handlungen die Verantwortung übernimmt.“ |
Manchen deutschen Wörtern haben die Amerikaner einen ganz neuen Sinn gegeben oder mit anderen Vokabeln zusammengesetzt. Schon mal von einem "jägerdude“ gehört? Das ist jemand, der wilde Partys feiert und dabei so trinkfest ist, dass er sich einen Jägermeister nach dem anderen genehmigt. Im Vergleich zu den Briten haben Amerikaner keine so ausgeprägte Schwäche für Wörter, die geeignet sind, den deutschen Botschafter in Rage zu bringen (,‚Achtung!“, „Panzer“). Viele verweisen im Gegenteil auf die stolze Tradition der Dichter und Denker: Eine
Legende ist allerdings, dass die Vereinigten Staaten kurz nach
ihrem Unabhängigkeitskrieg gegen Großbritannien um ein Haar Deutsch als
Landessprache eingeführt hätten. Die Geschichte geht darauf zurück,
dass 1794 einige deutsche Einwanderer eine Petition an das
Repräsentantenhaus richteten, nach der Gesetzestexte künftig auch auf
Deutsch veröffentlicht werden sollten. Sie begründeten dies damit, dass
viele Einwanderer noch kein Englisch sprächen. Dieser Antrag wurde mit
42 zu 41 Stimmen abgelehnt. Die entscheidende Gegenstimme soll der
Speaker des Hauses, der Deutschamerikaner Frederick Augustus Conrad
Mühlenberg, abgegeben haben. Sein Argument: "Je eher die Deutschen
Amerikaner werden, desto besser."
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Alles
in Ordnung also? Wir nehmen anglo-amerikanische Begriffe auf, die
Amerikaner deutsche und so tauschen wir uns gleichwertig auf Augenhöhe
aus? George Dubbleyuh sagt zu unserer Kanzlerin "Angela" und sie darf
wahrscheinlich "Georgie" sagen und alle haben sich lieb und sind voller
Achtung voreinander? Falsch. Das sprachliche Spiel amerikanischer Intellektueller mit ein paar deutschen Begriffen hat nichts mit der deutschen Unterwürfigkeit zu tun - das gilt jedenfalls so lange, bis mir jemand nachweist, dass in amerikanischen Kaufhäusern statt "SALE" "Schlussverkauf" steht; dass man in den USA keinen "long distance call" oder "global call" tätigt, sondern ein "Ferngespräch"; dass man im Textilhaus nach "Damenbekleidung" suchen muss, weil "women's wear" gestrichen ist; dass ein amerikanischer Fernsehsender mit dem deutschen Spruch "Es macht uns Spaß, Ihnen Spaß zu machen" wirbt statt mit dem Pro-7-Spruch "We love to entertain you"; dass auf amerikanischen Internetseiten steht "MP 3-Files for Herunterlading" - und spätestens dann, wenn die Amerikaner für das Mobiltelefon nicht mehr das Wort "mobile" oder "cellphone" verwenden, sondern das wunderbare deutsche Wort "Handy" - dann gebe ich den Kampf um eine einigermaßen noch deutsche Sprache in Deutschland auf... |