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Essener Songtage 1968
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INTERNATIONALE ESSENER SONGTAGE 1968
Ein Festival mit Politik
Rolf-Ulrich Kaiser

               Ein ausführliches Porträt von Rolf-Ulrich Kaiser findet sich hier...

 
In einem Gespräch versuchte Franz Josef Degenhardt, die Aufgabe des Sängers heute zu umreißen. Natürlich gebe es genügend Zeitungen, die Nachrichten mitteilten, und genug Kommentatoren, die ihre Meinung sagten. Aber, so mutmaßte er: „Es könnte sein, daß unsere Bewußtseinsindustrie bestimmte Kommentare einfach unterläßt, daß diese Funktion wieder, wie früher vom Bänkelsong, heute vom Lied übernommen wird. Ich finde es großartig, daß man jetzt, wo eine gewisse Meinungssperre besteht, wieder auf das Lied zurückgreift."
Mit dieser These hat Degenhardt dem Lied eine besondere Qualität zugeschrieben. Denn nun dient es nicht mehr dazu, Illusion zu erzeugen (Schlager) oder „happy“ zu machen, sondern es wird zum Träger politisch und gesellschaftlich relevanter Informationen, Meinungen und Kommentare.
Dieter Süverkrüp will durch seine Lieder „bei der Veränderung der Gesellschaft mithelfen und singt darum einen gar nicht gern gehörten „Viet- nam-Zyklus“. In San Francisco fordern sogar die populären Gruppen in Liedern die Absetzung des Präsidenten ihres Landes. In den Songs der New Yorker „Fugs“ schließlich wird der „Rock‘n Roll“ - in der Bundesrepublik noch immer bloß als Krawall-Anregen bekannt - zum Rhythmus- Hintergrund für so böse Lieder, daß bei jeder Show ein Teil des Publikums die Provokation 
nicht mehr erträgt und den Saal vorzeitig verläßt.

Kurzum, das Lied der 60er Jahre hat politische und gesellschaftliche Wirksamkeit gewonnen. Lieder können unangenehm wirken, aus Bequem- lichkeit aufwecken! Das Resultat: man versucht, sie zu verschweigen. Kaum eine Rundfunkstation spielt in den USA die Lieder der ‚,Fugs“ oder der „Mothers of Invention“. In Italien verbietet man bei einem Chanson- Festival einem Sänger, ein recht unverbindliches Vietnam-Lied vorzutragen. Statt des Textes singt er schließlich nur noch lalala.

Gerade so etwas aber wird es in Essen nicht geben. Ein Lieder-Festival ist heute erst dann sinnvoll, wenn es die politischen und gesellschaftlichen Bezüge der neuen Lieder berücksichtigt und gerade sie vorstellt.
Die ‚,Internationalen Essener Song Tage“ werden ein unzensiertes Festival sein, das jedem wichtigen Lied als demokratische Plattform dienen soll, mag es auch manchen hierzulande nicht gefallen: ,,Natürlich wird nie je ein Lied politische Aktionen ersetzen; aber es kann den richtigen Aktionen in die Hände arbeiten, dafür Reklame schlagen; es kann die Gesellschaft so beschreiben, wie sie wirklich ist, nämlich: änderungsbedürftig und änderbar“. (Dieter Süverkrüp).