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Ich über mich | Olympia 1972 |
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Texte |
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Nachruf
von Holk Freytag, Intendant des
Staatstheaters Dresden |
Das "schwarze Schaf"
vom
Niederrhein hat uns verlassen. Ditz Atrops trauert um ihn und
Hagenbuch
und die Frau im langen Tunnel des Duisburger Hauptbahnhofs, die so
Geschichten mit den Nieren und Last mit den Beinen hat. Und die Oma. Und Tausende andere. Und ich. Ich habe ihn vor langer Zeit kennen gelernt, 1968 bei den Essener Songtagen. Er war Moderator des großen Festivals, aber obgleich er ein durch und durch politischer Mensch war, kam er mir missbraucht vor, missbraucht von den Politclowns und Predigern des Hasses auf das Etablishment. Dass es in Zukunft nur noch gesungene Flugblätter geben werde, verkündete er damals - geglaubt hat er es wohl nie, denn er war anders. Mit seinem zutiefst menschlichen Humor, seiner Weisheit, seiner augenzwinkernden Verschmitztheit, seiner "Niederrheinheit" eben, hat er mich durchs Leben begleitet. In dem schrillen "Comedy"- Getümmel von heute wäre er wahrscheinlich ein belächeltes Fossil - und doch einer, der turmhoch über den vielen oberflächlichen Spaßerzeugern steht, die unsere Mattscheiben und Kleinbühnen bevölkern, die Humor mit dem sprachlichen Griff in den Unterleib verwech- seln, die sich über Minderheiten lustig machen und nichts kennen von seiner Liebe zu dem Menschen mit seinen Schwächen, über die man lachen kann, den man aber nie denunziert. Er war einer, der über sich selbst lachen konnte, der fand, das Bett sei eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit und seine eigene Existenz in den prägnanten Satz fasste: "Egal, was ich koche - am Schluss wird's immer Gulasch." |
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Hanns-Dieter Hüsch: Mein Testament
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Verabredung mit dem "lieben Gott"© wdr 06.05.2005Zum Tod von Hanns Dieter HüschDer
Kabarettist Hanns Dieter Hüsch ist tot. Der in Moers geborene Künstler
verstarb am Dienstag (06.12.05) im Alter von Links
"Gott wollte mich noch nicht", hat der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch noch 1999 gesagt. Damals hatte er den Lungenkrebs und damit den Tod besiegt. Sein tiefer Glaube hat ihm in dieser schweren Zeit geholfen. Er blieb optimistisch und humorvoll - auch im Umgang mit dem "lieben Gott". "Ich habe mit ihm eine Verabredung", sagte Hüsch im März 2000. "Und weil wir beide so wenig Zeit haben, haben wir gesagt, lass uns mal nichts fest machen. Wer kommt, der kommt." In der Nacht zum Dienstag (06.12.05) starb Hüsch. Das "schwarze Schaf vom Niederrhein"Verbundenheit zum NiederrheinIm Dezember 2000 verabschiedete sich Hanns Dieter Hüsch nach mehr als 40 Jahren mit einem letzten Soloprogramm "Wir se- hen uns wieder " von der Tourneebühne. Als Ort wählte er die Aula des Gymnasiums in seiner niederrheinischen Heimatstadt Moers, wo er am 6. Mai 1925 geboren wurde. Mit dieser Wahl bekräftigte er erneut seine Verbundenheit zum Niederrhein. Denn auch wenn er über 20 Jahre lang Mainz als seine Heimat wählte und später nach dem Tod seiner Frau Marianne Ende der 1980er- Jahre nach Köln zog, nannte er sich selbst das "schwarze Schaf vom Niederrhein". Er betonte stets: "Alles, was ich bin, ist nie- derrheinisch." Nach seinem Abschied von der Tourneebühne hatte sich Hüsch noch viel vorgenommen. Eine Weltreise wollte er machen, eine Oper schreiben. Ein Schlaganfall zerstörte schon 2001 diese Pläne. Sein Thema war der AlltagHüschs Karriere als Kabarettist begann mit Umwegen. Zunächst studierte er Medizin in Gießen, wechselte dann aber zu den Fä- chern Theaterwissenschaften und Literaturgeschichte in Mainz. Ein Studium, das er ebenfalls nicht beendete. 1947 hatte er in Mainz seine ersten Auftritte mit den "Uni-Rhythmikern" und dem Studentenkabarett "Die Tol(l)eranten". Sein erstes Solopro- gramm mit dem Titel "Das literarische Klavier" schuf er 1949. Seitdem war er mit mehr als 70 Programmen unterwegs. Ob auf der Bühne, in seinen Büchern oder seinen Fernsehauftritten, sein Thema war dabei stets der Alltag: "Mich interessiert der Mensch, wie lange er lebt, wie er lebt, womit und wogegen er lebt. Das ist existenzielles Kabarett." 1973 erfand Hüsch die Kunstfigur "Hagenbuch". Hüschs Alter-Ego Hagenbuch ist ein notorischer Nörgler, der sich pedantisch über die Tücken des Alltags ereifert. Der Satz "Hagenbuch hat zugegeben" wurde zum geflügelten Wort. Erfolg für den hintersinnigen Poeten![]() "Ein Poet unter den Kabarettisten" Hüsch verzichtete in seinen kritischen Alltagsanekdoten auf tagespolitische Angriffe. Und doch wehrte er sich dagegen, unpoli- tisches Kabarett zu machen. Er sah seine Aufgabe darin, "die Ohren der Menschen zu schulen für Lügen, für falsche Töne und falsche Typen." Seine hintersinnige Sicht der Dinge hatte Erfolg. Hüsch erhielt zahlreiche Auszeichnungen: Als einziger erhielt er gleich zweimal den Deutschen Kleinkunstpreis (1972/1982), die Carl Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz (1989), den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1994). 1998 übergab ihm der damalige Bundespräsident Johannes Rau per- sönlich das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Rau ist bekennender Hüsch-Fan, sieht in ihm "einen Poeten unter den Kabarettisten." "Es kommt immer was dazwischen"Bis zuletzt machte sich
Hüsch auch über sich selber lustig. In einem seiner letzten Bücher mit
dem Titel "Es kommt immer was dazwischen" schreibt er: "Ich steh' immer
dumm rum und gucke zu. Wenn ich mir, wenn's regnet aus einer Zeitung
eine Mütze machen will, wird immer eine Schwalbe draus. Es gibt welche,
die machen aus einem Kühlschrank ein Kinderbett oder aus einer
Türklinke ein Bügeleisen. Bei mir kommt immer eine Schwalbe raus. Ich
meine, ich geb's nicht auf. Vielleicht gelingt mir eines Tages irgend
etwas. Und wenn nicht, man kann nicht alles haben, sein und können. Ich
bin eben zu kurz gekommen. Macht nix. Ich sag immer: Selig sind die
Zukurzgekommenen. Denn sie tun einem nix!"
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