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     Nachruf von Holk Freytag, Intendant des Staatstheaters Dresden
                                      
Das "schwarze Schaf" vom Niederrhein hat uns verlassen. Ditz Atrops trauert um ihn und Hagenbuch und die Frau im langen Tunnel des Duisburger Hauptbahnhofs, die so Geschichten mit den Nieren und Last mit den Beinen hat.
Und die Oma.
Und Tausende andere.
Und ich.

Ich habe ihn vor langer Zeit kennen gelernt, 1968 bei den Essener Songtagen. Er war Moderator des großen Festivals, aber obgleich er ein durch und durch politischer Mensch war, kam er mir missbraucht vor, missbraucht von den Politclowns und Predigern des Hasses auf das Etablishment. Dass es in Zukunft nur noch gesungene Flugblätter geben werde, verkündete er damals - geglaubt hat er es wohl nie, denn er war anders.  Mit seinem zutiefst menschlichen Humor, seiner Weisheit, seiner augenzwinkernden Verschmitztheit, seiner "Niederrheinheit" eben, hat er mich durchs Leben begleitet. In dem schrillen "Comedy"- Getümmel von heute wäre er wahrscheinlich ein belächeltes Fossil - und doch einer, der turmhoch über den vielen oberflächlichen Spaßerzeugern steht, die unsere Mattscheiben und Kleinbühnen bevölkern, die Humor mit dem sprachlichen Griff in den Unterleib verwech- seln, die sich über Minderheiten lustig machen und nichts kennen von seiner Liebe zu dem Menschen mit seinen Schwächen, über die man lachen kann, den man aber nie denunziert. Er war einer, der über sich selbst lachen konnte, der fand, das Bett sei eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit und seine eigene Existenz in den prägnanten Satz fasste:

"Egal, was ich koche - am Schluss wird's immer Gulasch."
Hanns-Dieter Hüsch 1968

                                                                                     
Hanns-Dieter Hüsch: Mein Testament >>>
                                 


Hanns Dieter Hüsch ist tot

Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch ist tot. Der in Moers geborene Künstler verstarb in der Nacht im Alter von 80 Jahren, teilte eine Sprecherin seiner Heimatstadt mit.

Kabarettist Hanns Dieter Hüsch (Archivfoto) (Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Hanns Dieter Hüsch vor dem Pantheon-Theater in Bonn
Foto:  Horst Ossenberg (picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Hüsch bekam in seiner mehr als 40-jährigen Künstlertätigkeit zahlreiche Preise und Auszeichnungen, unter anderem den Deutschen Kleinkunstpreis und die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt Moers. Hüsch stand bis ins hohe Alter auf der Bühne. Erst Ende des Jahres 2000 beendete er seine Bühnenkarriere mit seinem letzten Soloprogramm "Wir sehen uns wieder". Im November 2001 erlitt Hüsch einen Schlaganfall und zog sich danach komplett aus der Öffentlichkeit zurück.

Hüsch wurde am 6. Mai 1925 in der Stadt am Niederrhein geboren, wo er nach eigenem Bekunden "zwischen schwarzweißen Kühen, Wind- mühlen und altersschwachen Bauernhäusern" aufwuchs. Wegen einer vererbbaren Veranlagung zum Klumpfuß wurden seine verdrehten Füße mehrmals schmerzhaften Operationen unterzogen, was ihm den Kriegsdienst ersparte. "Mein Leben verdanke ich meinen Füßen", kommentierte Hüsch in seinen 1990 veröffentlichten Erinnerungen.

© ard 06.12.2005

Am 20.04.06 hat der Päsident der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität, Jörg Michaelis, den
Hanns-Dieter-Hüsch-Weg eingeweiht. Der Kabarettist, seit 1977 Ehrenbrüger "seiner" Universität,
habe, so Michaelis, einmal gesagt, die Universität habe viel für ihn getan - aber er habe auch viel für die Universität getan und sei mit seinem Kabarett"Die Tolleranten" schon früh hervorgetreten. "Er hat sich nachhaltig eingesetzt für eine friedliche Welt und dabei Ideologie und Intoleranz eine Absage erteilt."

Am Romano-Guardini-Platz hat Hüsch seinen Stern auf dem "Walk of Fame", dem Ruhmespfad. "Die Menschen in Mainz haben Hanns-Dieter Hüsch geliebt", versicherte Oberbrügermeister Jens Beutel.

Der Hanns-Dieter-Hüsch-Weg ist als eine neue Verbindung zwischen Ackermannweg und Bentzelweg Teil der Ringstraße, die der Verkehrsberuhigung auf dem Mainzer Campus dienen soll.


Verabredung mit dem "lieben Gott"

© wdr 06.05.2005

Zum Tod von Hanns Dieter Hüsch

Der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch ist tot. Der in Moers geborene Künstler verstarb am Dienstag (06.12.05) im Alter von  
80  Jahren, wie eine Sprecherin der Stadtverwaltung mitteilte. Hüsch bekam in seiner mehr als 40-jährigen Karriere viele
Preise und Auszeichnungen, darunter den Deutschen Kleinkunstpreis und die Ehrenbürgerschaft seiner Geburtsstadt.


"Gott wollte mich noch nicht", hat der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch noch 1999 gesagt. Damals hatte er den Lungenkrebs und damit den Tod besiegt. Sein tiefer Glaube hat ihm in dieser schweren Zeit geholfen. Er blieb optimistisch und humorvoll - auch im Umgang mit dem "lieben Gott". "Ich habe mit ihm eine Verabredung", sagte Hüsch im März 2000. "Und weil wir beide so wenig Zeit haben, haben wir gesagt, lass uns mal nichts fest machen. Wer kommt, der kommt." In der Nacht zum Dienstag (06.12.05) starb Hüsch.

Das "schwarze Schaf vom Niederrhein"  

Verbundenheit zum Niederrhein

Im Dezember 2000 verabschiedete sich Hanns Dieter Hüsch nach mehr als 40 Jahren mit einem letzten Soloprogramm "Wir se- hen uns wieder " von der Tourneebühne. Als Ort wählte er die Aula des Gymnasiums in seiner niederrheinischen Heimatstadt Moers, wo er am 6. Mai 1925 geboren wurde. Mit dieser Wahl bekräftigte er erneut seine Verbundenheit zum Niederrhein. Denn auch wenn er über 20 Jahre lang Mainz als seine Heimat wählte und später nach dem Tod seiner Frau Marianne Ende der 1980er- Jahre nach Köln zog, nannte er sich selbst das "schwarze Schaf vom Niederrhein". Er betonte stets: "Alles, was ich bin, ist nie- derrheinisch." Nach seinem Abschied von der Tourneebühne hatte sich Hüsch noch viel vorgenommen. Eine Weltreise wollte er machen, eine Oper schreiben. Ein Schlaganfall zerstörte schon 2001 diese Pläne.

Sein Thema war der Alltag

Hüschs Karriere als Kabarettist begann mit Umwegen. Zunächst studierte er Medizin in Gießen, wechselte dann aber zu den Fä- chern Theaterwissenschaften und Literaturgeschichte in Mainz. Ein Studium, das er ebenfalls nicht beendete. 1947 hatte er in Mainz seine ersten Auftritte mit den "Uni-Rhythmikern" und dem Studentenkabarett "Die Tol(l)eranten". Sein erstes Solopro- gramm mit dem Titel "Das literarische Klavier" schuf er 1949. Seitdem war er mit mehr als 70 Programmen unterwegs. Ob auf der Bühne, in seinen Büchern oder seinen Fernsehauftritten, sein Thema war dabei stets der Alltag: "Mich interessiert der Mensch, wie lange er lebt, wie er lebt, womit und wogegen er lebt. Das ist existenzielles Kabarett."

1973 erfand Hüsch die Kunstfigur "Hagenbuch". Hüschs Alter-Ego Hagenbuch ist ein notorischer Nörgler, der sich pedantisch über die Tücken des Alltags ereifert. Der Satz "Hagenbuch hat zugegeben" wurde zum geflügelten Wort.

Erfolg für den hintersinnigen Poeten

Hanns Dieter Hüsch umarmt Johannes Rau; Rechte: dpa H.D. mit Johannes Rau

"Ein Poet unter den Kabarettisten"

Hüsch verzichtete in seinen kritischen Alltagsanekdoten auf tagespolitische Angriffe. Und doch wehrte er sich dagegen, unpoli- tisches Kabarett zu machen. Er sah seine Aufgabe darin, "die Ohren der Menschen zu schulen für Lügen, für falsche Töne und falsche Typen." Seine hintersinnige Sicht der Dinge hatte Erfolg. Hüsch erhielt zahlreiche Auszeichnungen: Als einziger erhielt er gleich zweimal den Deutschen Kleinkunstpreis (1972/1982), die Carl Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz (1989), den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1994). 1998 übergab ihm der damalige Bundespräsident Johannes Rau per- sönlich das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Rau ist bekennender Hüsch-Fan, sieht in ihm "einen Poeten unter den Kabarettisten."

"Es kommt immer was dazwischen"

Bis zuletzt machte sich Hüsch auch über sich selber lustig. In einem seiner letzten Bücher mit dem Titel "Es kommt immer was dazwischen" schreibt er: "Ich steh' immer dumm rum und gucke zu. Wenn ich mir, wenn's regnet aus einer Zeitung eine Mütze machen will, wird immer eine Schwalbe draus. Es gibt welche, die machen aus einem Kühlschrank ein Kinderbett oder aus einer Türklinke ein Bügeleisen. Bei mir kommt immer eine Schwalbe raus. Ich meine, ich geb's nicht auf. Vielleicht gelingt mir eines Tages irgend etwas. Und wenn nicht, man kann nicht alles haben, sein und können. Ich bin eben zu kurz gekommen. Macht nix. Ich sag immer: Selig sind die Zukurzgekommenen. Denn sie tun einem nix!"




So is dat

AM NIEDERRHEIN / Chefverdränger, Träumer, Mongolen und überall sein. Das alles dürfen wir. Hanns Dieter Hüsch sei Dank.

Tach zusammen! Wie isset? Wie sollet sein! Was wären wir Niederrheiner, wenn Hanns Die- ter Hüsch uns nicht erfunden hätte? Und so hat er uns überall bekannt gemacht:

Wissen Sie als ich den Slogan erfunden hab: Überall ist Niederrhein! Weitersagen! Da hat mich vielleicht son Verkehrsdirektor auf soner internationalen Tourismusbörse ganz dumm angeguckt. Als wollte sagen: Bürschchen Bürschchen pfusch mir nicht ins Handwerk. Der war neidisch. Dabei mein ich et wirklich nur gut:

Ach du meine große Güte
Im Fürstenschloss mit Frühlingsblüte
Im Häuschen mit Kaninchenstall
Niederrhein ist überall!
Weitersagen!

Ich mein et stimmt natürlich nicht ganz aber is doch nett. Die Niederrheiner sagen ja immer nett. Meistens. Nicht gut sondern nett. War nett. War en netter Abend. Is son netter Kerl. Sagte mein Vater immer. Der Heini Hasenkamp. Is son netter Kerl.

Ja wir Niederrheiner sind ja überall. Hab ich festgestellt. Überall sind Niederrheiner. Ob hoch im Norden oder tief im Süden. Entweder eingeheiratet oder beruflich dahin verschlagen. Dat is ja auch typisch niederrheinisch. Die sagen nie, was hat Sie denn hierhin geführt. Sondern immer wat hat Sie denn ausgerechnet hierhin verschlagen? Und dann sagen die, ja ich hab hier meine Frau kennengelernt. Die ist aber auch Niederrheinerin aus Alpen. Und dann der Beruf natürlich. Und da sind wir hier hängengeblieben. (...) 

(aus "Überall ist Niederrhein", Mercator-Verlag, Duisburg)

Also gut: Die Schönheit des Niederrheins, mein ich immer, dat is nich sone Angelegenheit, so wie man sacht, Gott is die Frau schön. Das geht tiefer. Dat krisse fast gar nich raus, warum dat so is. Auf den ersten Blick schon gar nicht. Muss ja auch nicht sein, sach ich immer, dat wär ja ne langweilige Schönheit. Nein, der Niederrhein, der will lang angeguckt werden. Und dann beginnnt die große Liebe. Die Indianer sagen ja auch immer, wenn sie sich verlieben: Er hat mich lange angeguckt. Dat is dat Geheimnis des Niederrheins. So is dat. Un wer einmal am Niederrhein war, der kommt wieder. Gott ja, andere fahren nach London, zur Sphinx, nach Venedig, an die chinesische Mauer oder sogar drauf. Soll sein, soll sein. Aber am Niederrhein isset am schönsten, und zwar erst auf den vierten und fünften und sechsten Blick. Da jagen sich die Rätsel: Warum is hier nix los un doch alles los. Un wo anders is alles los, un gar nix los. Der Niederrhein denk ich immer, macht einem nix vor. Da gibbet keine kalkulierte Roman- tik, sondern eine Musik aus Vergessen und Erinnern, un daraus entsteht das Gefühl am Ende der Welt, am Ende aller Tage zu sein. Und aus dem Altrhein bei Xanten tauchen prustend alle Vorfahren auf, als hätten sie sich verschwommen. Komisch ist der Niederrhein nämlich auch. Das gehört mit zur Schönheit. Wer Phantasie studieren möchte, der sollte ein paar Semester an den Niederrhein kommen und dann als Lohengrin wieder in die große Welt fahren. Burgen gibt´s und Wasserschlösser, Windmühlen und Wassermühlen, Kirchturmspitzen, Fähren und Inseln, Kunst im Schloss Moyland, Karneval in Keppeln, und komm mir nun keiner, und sach, er sei nicht genannt worden.

(aus "Hanns Dieter Hüsch, Zugabe" Kiwi Köln)

    Wir niederrheinische Menschen sind ja oft von einem ... wie soll ich sagen...
     Von einem sturen Unglauben
    Bis wir mal wat glauben dat dauert furchtbar lang
    Aber et kann natürlich auch sein
    Daß wir alles schon ahnen
    Und et dann aber nich glauben wollen
    Weil et so schlimm is im LebenMeistens.
    Wommasosagen: Wenn uns wat nich in de Kram paßt
    Glauben wir et einfach nich
    Dat nennen die Psychologen ja verdrängen.
    Un wir Niederrheiner sind ja Chefverdränger. I
    ch sage Ihnen: Wat am Niederrhein nich alles jeden Tag verdrängt wird
    Dat paßt in keine Talsperre
    Weil et is manchmal zuviel für unsereinen im Leben
    Wie gesagt.
    Un dann is ma ja auch de Tragödienkram langsam leid
    Und dann will man nix mehr hören un nix mehr sehen
    Also ein Ohr rein ander Ohr raus.
    Un damit man dann aber nich ganz unhöflich is
    Also sagen wer mal doch Anteil nimmt am Geschehen
    Benutzt der Niederrheiner oft mit gespieltem Interesse
    Das kleine Wörtchen: WIE
    Wie zum Beispiel: Dat Fahrrad is kaputt
    Wie kaputt
    Ja Kette gerissen
    Wie Kette gerissen
    Weiß ich auch nich
    Wie weiß ich auch nich
    Dann sieh ma zu wie de dat Ding wieder in Ordnung kriss
    Das war jetzt nur mal son Beispiel

   (aus "Tach zusammen, Geschichten und Bilder vom Niederrhein", Mercator-
Verlag)

Der Niederrheiner, sag ich immer, ist der Mongole unter den Rheinländern. Und in Gedanken sitzt er auch oft auf kleinen struppigen Pferdchen und reitet von Grenze zu Grenze bis zur Unkenntlichkeit, träumt sich in die Arktis hinein oder kommt mit letzter Kraft, aber heiler Haut aus der Sahara zurück, wird wach und war nur in Wachtendonk, Alde- kerk, Orsoy oder Kapellen, Goch nicht zu vergessen (...)

(aus "Mein Traum vom Niederrhein", Mercator-Verlag)

Vor fünf Jahren hat HDH in Moers Abschied von der Bühne genommen. Da erzählte er, was auf seinem Grabstein stehen soll: "Er hat zu viel gemacht, er hat zu wenig bewegt. Ich aber sage euch, lasst mich in Ruh´".


       NRZ     06.12.2005   mehr >>>