|
Ich über mich | Olympia 1972 |
|
|
|
|
Texte |
|
Blumen, Liebe, Musik - und
Drogen:
Die Hippie-Bewegung der 60-er
Jahre
Während
sich
die junge Bundesrepublik zum wirtschaftlich gesicherten und nach Westen
hin auch politisch erfolgreichen Staat entwickelt, während die
Kriegs-und Trümmergeneration mehr und mehr zufrieden auf ihre
materiellen Leistungen zurückblickt und die Früchte des
Wiederaufbaus genießt, ist
eine neue Generation herangewachsen. Sie hat in der Schule gelernt,
»die
gesellschaftlichen Ursachen für Not und Elend, Armut und Hunger zu
erkennen«.
Ihr wurden die Frauen und Männer des Widerstandes im Dritten Reich
als
leuchtende Beispiele von Zivilcourage vor Augen gestellt, sie bekennt
sich
zu den Idealen des Grundgesetzes und erfährt aus den Richtlinien
der
Staatsbürgerkunde, daß »politische Selbstbestimmung
nicht
in Gesellschaften verwirklicht werden kann, in denen entscheidende
soziale
und ökonomische Bereiche demokratischer Gestaltung entzogen
werden«.
Zu diesem Konzept einer freiheitlichen und
menschenwürdigen Welt stehen die Realitäten jedoch in einem
kaum erträglichen Gegensatz. |
,,Sie brachen auf zu einem
merkwürdigen
Stern, in das Land der Wunschlosigkeit. Sie ließen alles
zurück,
was junge Menschen gewöhnlich erträumen: ein Leben im
Wohlstand, gute Erziehung, elegante Wohnungen und rassige Sportwagen.
An den Rändern der alten
Gesellschaft begannen sie das ungebundene Dasein einer fröhlichen Bohème. -
Gisela Bonn. Unter Hippies.
Düsseldorf, Wien 1968
Man nennt sie Hippies oder Gammler Der älteren Generation sind sie ein Dorn im Auge, ein Stachel im Fleisch. Sie ist mit ihrem Urteil schnell bei der Hand... |
So sehen sie
aus: Deutschlands Gammler. Langhaarig, trinkfest, schmuddelig,
gleichgültig, lungern sie
an den Ecken der Nationen: Am Ohr oder um den Hals blechernes
Geschmeide, um die Hüften zerfranste Jeans, an jedem Fuß
eine andersfarbige Socke, eher aber noch ohne Strümpfe und Schuhe.
Ihre Gewänder beschriften
sie mit Protest-Gestammel oder Nonsens-Floskeln: ‘Beethoven for ever',
,Die
Mauer muß weg', ,Gammler vermehrt Euch'. Sie waschen sich, wenn
überhaupt,
unter dem Springbrunnen oder auf Warenhaus-Toiletten. Sie ernähren
sich von milden Gaben... Sie nächtigen in Parks, Streusandkisten,
Autowracks
und halbfertigen Neubauten. Sie sorgen nicht um ihr Leben und erstreben
keinen
persönlichen Besitz (ein nacktfüßiger Berliner Gammler
mit
Bart und Abitur:«Ich halte es wie Kalle Marks, der hielt auch
nichts
von dieser Eigentumsscheiße.») Und sie kennen auch ein Vorbild: >Jesus war der erste Gammler.< DER SPIEGEL 1966, Nr. 39, S.70 |
II.
Das Wort 'Hippie' ist entstanden aus dem anglo- amerikanischen hip = eingeweiht, unter dem Einfluss von Drogen stehend. Es bezeichnet die Anhänger einer unorganisierten jugendlichen Protestbewegung, die um 1965 in den USA, vornehmlich Kalifornien, entstand und bald Anhänger in der ganzen Welt fand. Die Hippies protestierten friedlich gegen Kultur und politische Ordnung der modernen Wohlstands- und Leistungsgesellschaft. Statt eine differenzierte Weltanschauung zu entwickeln, führten sie ein Leben in friedvoller, freier, natürlicher Gemeinschaft, die von freier Liebe und sexuellem Genuss (Love generation), Farbenpracht und Blumenschmuck (Blumenkinder) sowie durch Drogengenuss stimulierten psychedelischen Festen geprägt war. Gegen die Monotonie und Erstarrung der bürgerlichen Gesellschaft, gegen Verlogenheit und Kriegstreiberei, gegen Materialismus und Gefühlskälte setzten sie neue Erlebnisweisen und als 'Kampfmittel' die 'Flower Power' ...und Musik. |
|
|