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                        Zwei Artikel aus dem Duden zur Frage der Fremdwörter im Deutschen


Fremdwörter: Bedrohung oder Bereicherung?

Fremdwörter sind [...] ein wichtiger, ja unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Wortschatzes. Die deutsche Sprache kam – wie jede andere Sprache der Welt – zu keiner Zeit ohne Fremdwörter aus; sie erfüllen verschiedene wichtige Funktionen im Rahmen der alltäglichen wie der fachspezifischen Kommunikation.
Ein Fremdwort kann dann nötig sein, wenn etwas mit deutschen Wörtern nur umständlich oder unvollkommen umschrieben werden kann, wenn man einen graduellen inhaltlichen Unterschied ausdrücken, unerwünschte Assoziationen vermeiden, ein kulturspezifisches Kolorit erzeugen, auf Bildungsinhalte anspielen, ein bestimmtes Lebensgefühl zum Ausdruck bringen, die Aussage stilistisch variieren oder den Satzbau straffen will. All dies sind stilistische Funktionen.

Fragwürdig kann der Gebrauch von Fremdwörtern dort werden, wo die Gefahr besteht, dass sie Verständigung und Verstehen erschweren, wo sie der Überredung oder Manipulation (z. B. in der Sprache der Politik oder der Werbung) dienen oder wo sie lediglich als intellektueller Schmuck oder sogar aus purer Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit (weil ein deutsches Wort »gerade nicht zur Hand« ist) verwendet werden. Freilich sind dies Funktionen der Sprache, die sie durchaus auch mithilfe von einheimischen Wörtern erfüllen kann, sodass es sich hier nicht um ein spezifisches Fremdwortproblem handelt.
Ein solches spezifisches Problem ist die Tatsache, dass Fremdwörter sich kaum auf Wörter des deutschstämmigen Wortschatzes beziehen lassen, da sie nicht zu einer vertrauten Wortfamilie gehören, aus der heraus sie erklärt werden können (z. B. Läufer von laufen). Aus diesem Grunde ist mit der Verwendung von Fremdwörtern auch ganz allgemein die Gefahr des falschen Gebrauchs verbunden. Nicht umsonst heißt es im Volksmund: »Fremdwörter sind Glückssache.« Fehlgriffe sind leicht möglich: Restaurator kann mit Restaurateur, Katheder mit Katheter, kodieren mit kodifizieren, konkav mit konvex, desolat mit desperat oder effektiv mit effizient verwechselt werden. Oft kann dabei unfreiwillig Komik entstehen, beispielsweise wenn statt von einer Sisyphosarbeit von einer Syphilisarbeit die Rede ist.

Ein falscher oder auch nur salopp-umgangssprachlicher Gebrauch von Fremdwörtern kann indes, sofern er sich allgemein durchsetzt, zu einem Bedeutungswandel führen, so dass er unter dem Aspekt einer spezifischen Fremdwortadaption durch die deutsche Sprachgemeinschaft zu sehen ist. Ein solcher Bedeutungswandel kann oft bis zur völligen Inhaltsumkehrung gehen. Das macht beispielsweise die Geschichte der Wörter formidabel (von ›furchtbar, entsetzlich‹ zu ›großartig‹) und rasant (von ›flach, gestreckt‹ zu ›sehr schnell, schneidig‹) deutlich.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Man kann über Fremdwörter nicht pauschal urteilen. Man muss vielmehr die Funktion oder das Ensemble von Funktionen berücksichtigen, die ein Fremdwort in einem bestimmten Verwendungszusammenhang erfüllt. Fremdwörter können zwar aufgrund ihrer Herkunft aus anderen Sprachen besonders geartete Schwierigkeiten im Gebrauch und im Verstehen bereiten; sie sind aber oft ein unentbehrlicher Bestandteil der deutschen Sprache. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob man Fremdwörter gebrauchen soll oder darf, sondern wo, wie und zu welchem Zweck man sie gebrauchen kann oder soll. Entschieden abzulehnen sind sie natürlich da, wo sie lediglich aus Bildungsdünkel, Prahlerei, Bequemlichkeit oder Gedankenlosigkeit verwendet werden. Es ist aber dann nicht das fremde Wort, sondern die seinem Gebrauch zugrunde liegende Haltung, die zu kritisieren ist. Wer gegen Fremdwörter als solche zu Felde zieht, führt hier lediglich einen »Stellvertreterkrieg« und muss das eigentliche Ziel seiner Bemühungen verfehlen.

Eine Gefahr der »Überfremdung« der deutschen Sprache, wie sie seit dem 17. Jh. in fast regelmäßigen Abständen und so auch neuerdings wieder von bestimmter Seite befürchtet wird, bestand nie und besteht auch in Zukunft nicht. Die Aufnahme neuer und das Aussterben alter Fremdwörter hält sich seit Jahrhunderten nahezu die Waage. Daran haben selbst die Massenmedien des 20. Jh.s, denen bei der Verbreitung von fremdem Wortgut eine besondere Rolle zugesprochen wird, nichts geändert.
Es ist auch ein Irrtum, dass die Verwendung von Fremdwörtern die grammatische Struktur des Deutschen beeinflussen könnte. Solange ein englisches Verb wie to download im deutschen Satz als trennbares Verb (analog zu herunterladen) behandelt und nach deutschem Flexionsmuster gebeugt wird (ich loade down, loadete down, habe downgeloadet), solange funktioniert die positive Adaptionskraft, die Goethe der deutschen Sprache bescheinigt, wenn er schreibt: »Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.«

http://duden.de/produkte/downloads/fremdwort9_bereicherung.pdf#search=%22%22Fremdw%C3% B6rter%3A%20Bedrohung%20oder%22%22


Ein ständiges Geben und Nehmen:
Fremdwörter im sprachlichen Kontakt

Kulturelle und sprachliche Kontakte und Einflüsse gehören zu den Grundgegebenheiten historischer Entwicklung. Durch Handel, Eroberung und Kolonialisierung, später auch durch Missionsbestrebungen kamen Menschen seit jeher miteinander in Berührung.
Heute, in einer Zeit, in der Entfernungen keine Rolle mehr spielen, ist die gegenseitige kulturelle und somit sprachliche Beeinflussung der Völker besonders stark. So findet grundsätzlich ein Geben und Nehmen zwischen allen Kultursprachen statt, wenn auch gegenwärtig der Einfluss des Englisch- Amerikanischen dominiert. Das bezieht sich aber nicht nur auf das Deutsche, sondern ganz allgemein auf die nicht englischen europäischen Sprachen.
Besonders deutlich zeigt sich der kulturelle Einfluss einer Gebersprache, wenn Wörter nach ihrem Vorbild entstehen, die sie selbst gar nicht kennt.

So werden heute gelegentlich - dies allerdings fast ausschließlich in Deutschland - Wörter nach englischem Muster gebildet, ohne dass es sie im englischsprachigen Raum überhaupt gibt. Man spricht dann von Scheinentlehnungen (Twen, Handy, Showmaster) und Halbentlehnungen mit neuen Bedeutungen (Herrenslip, engl. briefs). Wer solche Neubildungen als sprachlich-kulturelle Rückgratlosigkeit (»linguistic submissiveness«) deutet, übersieht, dass es sich um ein legitimes und seit Jahrhunderten bewährtes Mittel der Sprachbereicherung handelt. Die meisten Termini der wissenschaftlichen Fachsprachen sind solche Schein- oder Halbentlehnungen: nach griechischem oder lateinischem Muster geprägte, aus griechischen oder lateinischen Versatzstücken zusammengesetzte »Kunstwörter« (so eine sprechende, im 17. bis 19. Jh. verbreitete Verdeutschung von Terminus), die in den Ausgangssprachen so nicht belegt sind (z. B. Chromosom, Gen, Photosynthese in der Biologie, Hormon, Karzinom, Toxoplasmose in der Medizin).
Es gibt jedoch auch den umgekehrten Prozess, dass deutsche Wörter in fremde Sprachen übernommen und dort allmählich angeglichen werden, wie z. B. im Englischen bratwurst, ersatz, fräulein, gemütlichkeit, gneis, kaffeeklatsch, kindergarten, kitsch, leberwurst, leitmotiv, ostpolitik, sauerkraut, schwärmerei, schweinehund, weltanschauung, weltschmerz, wunderkind, zeitgeist, zink. Auch Mischbildungen oder Eigenschöpfungen wie apple strudel, beer stube, sitz bath, kitschy, hamburger kommen vor. [Das war allerdings schon eine erschöpfende Liste...] Die im Deutschen mit altsprachlichen Bestandteilen gebildeten Wörter Ästhetik und Statistik erscheinen im Französischen als esthétique bzw. statistique. Das deutsche Wort Rathaus wird im Polnischen zu ratusz, Busserl im Ungarischen zu puszi, und im Rumänischen gibt es u. a. chelner (Kellner), Slager (Schlager[lied]), ist der deutsche Spracheinfluss bis heute sehr stark. - Die »erfolgreichsten« deutschen Wörter sind Nickel und Quarz, die in mindestens 10 verschiedenen Sprachen (Englisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Schwedisch, Serbokroatisch, Türkisch, Ungarisch) als Fremdwörter vorkommen; es folgen Gneis, Marschall, Zickzack und Zink (in mindestens 9 Sprachen), Walzer (in mindestens 8 Sprachen), Leitmotiv, Lied, Schnitzel und das chemische Element Wolfram (in mindestens 6 Sprachen). Warum sind es gerade Wörter wie Nickel, Zink, Wolfram, Gneis, also Begriffe aus unterschiedlichen Naturwissenschaften, die früher in andere Sprachen übernommen wurden? Warum werden heute keine deutschen Wörter mehr übernommen? Hat das vielleicht mit dem Austritt deutscher Wissenschaftler aus ihrer eigenen Sprache zu tun - und dem damit verbundenen Verfall dere Weltgeltung deutscher Wissenschaft?

Viele Fremdwörter sind international verbreitet. Man nennt sie Internationalismen. Das sind Wörter, die in gleicher Bedeutung und gleicher oder ähnlicher Form in mehreren Sprachen vorkommen, wie z. B. Medizin, Musik, Nation, Radio, System, Telefon, Theater. Hier allerdings liegen auch nicht selten die Gefahren für falschen Gebrauch, nämlich dann, wenn Wörter in mehreren Sprachen in lautgestaltlich oder schriftbildlich zwar identischer oder nur leicht abgewandelter Form vorkommen, inhaltlich aber mehr oder weniger stark voneinander abweichen (dt. sensibel = engl. sensitive; engl. sensible = dt. vernünftig). In diesen Fällen spricht man auch von Faux-amis, den »falschen Freunden«, die die Illusion hervorrufen, dass sie das Verständnis eines Textes erleichtern können, in Wirklichkeit aber Missverständnisse verursachen.

Ein besonders gutes Beispiel für die Gegenseitigkeit kultureller Befruchtung geben die Fälle so genannter Rückentlehnung: Wörter, die zu einer bestimmten Zeit aus einer Sprache in eine andere übernommen wurden, finden zu einem späteren Zeitpunkt wieder den Weg zurück, wobei sie in der Regel sowohl formal wie inhaltlich modifiziert auftreten. So wurde bereits sehr früh das deutsche Wort Bank in der ursprünglichen Bedeutung ›Sitzmöbel‹ bzw. ›Ladentisch‹ (Letzteres etwa in Brotbank, Fleischbank, Wechselbank) in die romanischen Sprachen entlehnt. Im Italienischen nahm es als banco die eingeschränkte Bedeutung ›Tisch der Geldwechsler‹ bzw. übertragen ›Institut für Geldgeschäfte‹ an, in der es dann im 15. Jh. wieder ins Deutsche zurückkam. In Anlehnung an das französische banque sowie das nach wie vor gebräuchliche deutsche Bank wurde die italienische Lautung allmählich aufgegeben und das feminine Wortgeschlecht setzte sich gegen das maskuline durch. Beibehalten wurden jedoch abweichende Flexionsformen: Bank im Sinne von ›Sitzgelegenheit‹ bildet heute den umlautenden Plural Bänke, während Bank im Sinne von ›Geldinstitut‹ im Plural schwach gebeugt wird: Banken.

© DUDEN Fremdwörterbuch