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vom
29.10.2001
Design bestimmt Bewusstsein Kabarettist Ingo Börchers gastierte im "Flörsheimer Keller" Von Sabine Pillwitz-Schaum FLÖRSHEIM - Warum Sie nicht "dazugehören" - zu den Winnern, den Money-Machern und Strahlebacken in lässiger Hand-in-der-Hosentasche-Pose? Ganz einfach: Weil Sie kein Seminar zum Thema Unternehmens- und Lebensmanagement besucht, keinen Motivationsurlaub für die Business-Class bekommen und auch sonst null Ahnung haben, mit welchen sprachlichen Finessen Sie manipuliert werden, aber auch selbst mitmischen, manipulieren und eben "dazugehören" können. Ingo Börchers hat es gepackt, seinem Leben eine neue Wendung zu geben. Er ist ein "Bekehrter" und jetzt bekehrt er selber, der neue Besen, frisch vom Managerseminar. Und wir sind seine Zielgruppe. Am Freitagabend im "Flörsheimer Keller" coachte er ein kleines, aber feines, kabarettkundiges Publikum von 25 Personen mit seinem Programm "Newspeak". Gleich zu Beginn mutierte das Publikum zu Rhetorik-Schülern. Börchers, Kämpfer an der Verbalfront, machte in seinem zweistündigen "Gruppentraining" klar: Design bestimmt das Bewusstsein. Damit meint er nicht nur das stimmige, zwanghaft notwendige Outfit, sondern vor allem die designte Sprache. Ohne Anglizismen sind wir nicht "fit for future". Heute ist eine Veranstaltung eben ein "Event", und wenn die Presse da ist, ein "Mega-Event". Alles lässt sich umschreiben, schön reden. Wenn mich das nicht interessiert, betrifft es nicht meine Kernkompetenzen. Faul heißt: "anderweitig motiviert" und Besprechungen mit eventuellem Informationsaustausch nennt man "Briefing". Selbst Altenheime bekommen Marketingabteilungen und Qualitätsmanagement. Im Zuge mehrerer "Situationsanalysen" machte Börchers phonisch materialisiert klar: Die Zeiten sind hart, aber modern. Dabei hat er es nicht nötig, dem Publikum durch zotige Pointen und Gags "Brüller" zu entlocken. Bei seinem intellektuellen Programm müssen die Gehirnwindungen des Zuhörers nonstop ziemlich schnell arbeiten, und bis alles gesackt ist, amüsiert man sich lieber reduziert, damit die nächste verpackte Anspielung oder Wortspielerei nicht verpasst wird. Mit "Newspeak" ist Börchers ein komplexes Kunstwerk gelungen, das keine Tabus kennt. Und es macht uns Mut zu der Frage : "Hallo Leben, hier bin ich. Was kann ich für mich tun?" |