D E U T
S C H L A N D F U N K
Die Bundestagsdebatte zur Vergangenheit von Joschka Fischer
Elke Durak im Gespräch mit Wolf Biermann,
Publizist und Lieder
macher
Interview vom 18.1.2001 - 07:15
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Joschka Fischer 1968 (rechts)
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Foto: FAZ
Durak: Es sieht ja so aus als habe die heftige und zum Teil offensichtlich
auch mit großer Leidenschaft geführte Auseinandersetzung gestern
im Bundestag zur Vergangenheit von Bundesaußenminister Joschka Fischer
die Debatte über die politischen Kontroversen in den 68er und 70er Jahren der Bundesrepublik auf einen vorläufigen
Höhepunkt getrieben. Oder hat sie sie gar erst wirklich angeschoben?
Eine der wichtigen Fragen dabei ist die nach der Rechtmäßigkeit
und dem Ausmaß von Gewalt, die ja von beiden Seiten vielfältige
Formen hatte als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele innerhalb einer
Demokratie. -
Am Telefon ist Wolf Biermann, Publizist und Liedermacher. Guten Morgen!
Biermann: Guten Morgen Frau Durak.
Durak: Herr Biermann, als was empfinden Sie denn diese Diskussion?
Fischer mit erhobener Faust.
Foto: FAZ
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Biermann: Ich kann eigentlich nur
halb mitreden, denn ich habe nur den Abglanz dieser Debatte, von der Sie
gerade sprechen, in der "Tagesschau" gestern Abend gesehen. Da kam es, obwohl
wir jetzt so schön früh am Morgen hier reden, viel zu früh
fast, vor wie ein nächtlicher Hexensabbat, wie eine Teufelsaustreibung.
Freilich sah ich nur das, was dort gezeigt wurde. Für mich kam das mehr
wie ein Versuch der Christdemokraten, irgendwie auf Wählerfang zu gehen.
Die wollen wieder an die Macht. Das ist ja auch ihr Recht und das gönne
ich ihnen auch. Aber das was ich dort gehört habe, war weder christlich
noch demokratisch. Das stank irgendwie nach Heuchelei, weil ich finde
es falsch, dass man dem Fischer vorwirft, dass er damals als junger Mann
diese Steine geworfen hat und in den Prügeleien auf der Straße,
die ja auch ihren politischen Grund hatten, beteiligt war. |
Die Studenten und die jungen Leute sind ja damals auf die Straße nicht
aus Jux und Tollerei. Es ging um den Schah-Besuch, es ging um die innere
Verfassung der Bundesrepublik, um demokratische Rechte. Da passiert es eben
leider, dass Menschen zu weit gehen, dass sie auch provoziert werden, dass
ein durchgeknallter Polizist den Benno Ohnesorg abgeschossen hat. Das putscht
dann wieder die Leidenschaften der Menschen auf, und die Wasserwerfer sind
auch nicht gerade ein geeignetes Instrument der politischen Diskussion. Wenn
man einen Knüppel auf die Birne kriegt, dann greift man eben auch nach
Steinen. Das ist nun lange her. Wichtig ist aus meiner Sicht jedenfalls,
dass dieser Fischer die Kraft gehabt hat sich zu ändern, was zu begreifen
aus all diesem politischen Streit, in den er hineingeraten war. Das ist aus
meiner Sicht jedenfalls das, was man ihm hoch anrechnen muss. Im übrigen
gilt das Bibelwort: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Die Frucht
heißt bei Fischer jedenfalls, dass er ein Außenminister ist,
der so weit ich das überhaupt beurteilen kann für die Deutschen
eher gut ist, eher günstig ist. Denn wie er sich im Kosovo-Konflikt
verhalten hat, das ist nach meiner Meinung vorbildlich richtig und zeigt,
dass er was gelernt hat. Der hat sich eben geändert!
Durak: Herr Biermann, dann können
sich doch diese Erklärung oder dieses Muster auch andere aneignen, die
heutzutage unzufrieden sind, die sich bevormundet fühlen, die sich wehren
gegen den Staat? |
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Biermann: Wenn Sie damit auf die rechtsradikalen Schläger
ansprechen, die auf Ausländerjagd gehen und Menschen, die dunkle Hautfarbe
haben, aufklatschen und töten, dann ist das nach meiner Meinung eine
wirklich grundsätzlich andere Situation. |
Wir Menschen sind alle, wie der Philosoph Kant sagt, ein krummes Holz, aber
wichtig ist natürlich, mit welchen Motiven man auf die Straße geht,
ob man die Welt, auch wenn man sich irrt, auch wenn man falsche Mittel anwendet,
zum besseren wenden will oder ob man sie zurückdrehen will in den ganzen
Nazi-Dreck, der Millionen Menschenopfer gefordert hat. Das ist in meinen
Augen nicht dasselbe. Irrtum ist nicht gleich Irrtum und Stein ist übrigens
auch nicht gleich Stein. Das ist sehr steinig gedacht. Leute die so denken
haben nur Steine im Kopf. Natürlich ist ein Verbrechen ein Verbrechen und
ein Polizist darf nicht
erschlagen werden, denn das Gewaltmonopol
des Staates ist nach meiner Ansicht ein Fundament der demokratischen Ordnung,
in der wir leben.
Joschka Fischer
bei einer Demons-
tration gegen Kernkraft. Neben ihm
Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD).
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Durak: Sie widersprechen sich, Herr Biermann. Sie sprechen
einerseits davon, dass die Fischers von damals durchaus aus hehren Motiven
das Recht hatten, sich zu wehren. Gleichzeitig sagen Sie, der Staat hat das
Recht, sein Gewaltmonopol auszuüben.
Biermann: Nein, sie hatten nicht das Recht. Das Bürgerrecht
soll nicht sein, dass man Polizisten verprügelt. Aber die Ursachen,
warum Menschen das tun, müssen doch, wenn wir über menschliche
Angelegenheiten reden, auch bedacht werden. Und vor allen Dingen das Wichtige
ist aus meiner Sicht jedenfalls, dass er es kapiert hat, dass das ein Verbrechen
war, dass das falsch war.
Durak: Das behauptet er?
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Biermann: Ich denke, das
hat er bewiesen durch seine politische Praxis. Das ist ein Unterschied, als
wenn man weiterhin besoffen durch die Straßen grölt und "heil
Hitler!" schreit und den nächsten Ausländer an die Wand knallt.
Das ist sehr wohl zu bedenken. Nein, ich bin nicht besonders verliebt in
den Fischer. Ich kenne ihn übrigens persönlich gar nicht. Ich kenne
manche Leute, habe manche getroffen wie den Rudi
Dutschke. Selbst die Ulrike Meinhof, bevor sie Terroristin war, besuchte
mich in der Chaussee-Straße in Ost-Berlin. Aber ich habe nicht den Eindruck,
dass das ein Mensch ist der heuchelt. Heuchlerisch kommt mir eher vor,
dass man ihn jetzt so vorzerrt, im Grunde um Wähler zu |
gewinnen, um eine Stimmung zu machen, um vielleicht nach sieben Ministern
dem Schröder nun den achten Zahn aus dem Gebiss zu brechen. Aber dieser
Zahn, um im Bilde zu bleiben, ist nicht verfault; der kommt mir eher gesund
vor.
Durak: Es kann ja durchaus sein, Herr Biermann, und vielleicht
täte es uns auch ganz gut, wenn sich
diese Diskussion von Joschka Fischer wegbewegte und zu einer gesellschaftlichen
Diskussion oder
einem Teil würde, denn immerhin sind die jetzigen Regierenden auch die
68er oder Nachfolger von da-
mals und sie werden jetzt für ihre politischen Ideale und Handlungen
gescholten. Denken Sie, dass
dies in der Diskussion eine wichtige Rolle spielt, dass sich der Kanzler so
schützend vor Fischer stellt
und andere merkbar an einem wunden Punkt getroffen sind?
Biermann: Wenn Politiker sich vor Politiker stellen, dann
bin ich sowieso erst mal misstrauisch. Der
Kanzler will natürlich Ruhe im Karton haben und der will nicht den Minister
verlieren. Deswegen sehe
ich das schon mit Skepsis. Aber trotzdem kann er doch Recht haben!
Durak: Herr Biermann, genügt es wirklich, sich für
politische Irrtümer so zu entschuldigen, wie Herr
Fischer das getan hat? Kohl hat das ebenso gemacht.
Biermann: Ich denke da gibt es große Unterschiede.
Ich denke es ist ein Unterschied, ob ein 23- jäh-
riger Brausekopf mit roter Brause im Kopf in einer Straßendemonstration
in eine Schlägerei mit Poli-
zisten verwickelt wird, oder ob ein ausgewachsenes, ausgepichtes Exemplar,
ein reifer älterer Mann
wie Kohl, machtgewohnt, machtgeübt, systematisch Millionen verschiebt
und gegen die Gesetze seines
eigenen Landes benutzt, um seine Machtpolitik unter der Hand zu betreiben.
Einmal dürfen Sie mich
fragen was ich schlimmer finde, zumal der eine seine Haltung korrigiert hat
und der andere gar nicht.
Durak: Herr Biermann, der Mann mit der roten Brause im Kopf,
wie Sie so schön formulieren, muss er
sich nicht wie andere auch zu den geistigen Vätern der ihm nachfolgenden
Terroristen zählen?
Biermann: Nein, so weit ich das beurteilen kann nicht. Ich
hatte ja mit denen nie wirklich etwas zu tun,
schon weil ich in Ost-Berlin lebte. Davor schützte mich schon die DDR.
Wenn überhaupt dieser Fischer,
so weit ich das begreifen kann, in dieser Problematik eine Rolle spielte,
dann gehört er ja wohl eher zu
denen, die vom Terrorismus der RAF weggegangen sind, die am sogenannten Scheideweg,
der sich
immer mal wieder vor Menschen auftut, lieber den langen Weg durch die
Institutionen, den langen Marsch, den Rudi
Dutschke formuliert hat, gegangen sind als den Weg in den Untergrund. So
weit er Einfluss nehmen konnte, auch auf diesen Terroristen Klein, der jetzt
vor Gericht steht, hat er ja wohl eher dazu beigetragen, dass er ausgestiegen
ist aus dieser Verbrecherbande.
Durak: Sie sagten, Sie waren in der DDR und hatten eher
weniger damit zu tun. Aber immerhin haben Sie ja, wenn die Informationen
stimmen, auch einen Preis, den sie in West-Berlin bekamen, an den Anwalt
der APO Horst Mahler gespendet. Also irgendwie hat Sie das ja doch bewegt? |
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Biermann: Ja. Insofern habe ich mindestens viel mehr Schuld als der
ganze Fischer an der ganzen RAF, freilich unfreiwillig. 1968 saß
ich in Ost-Berlin und kriegte plötzlich vom Himmel hoch den Fontane-
Literaturpreis. Das hieß damals nicht nur Ehre, sondern 10.000 Westmark
für einen Ostmenschen in Ost-Berlin. Weil ich natürlich ein tapferes
Schneiderlein war, habe ich erklärt, ja, den Preis, die Ehre nehme ich,
aber die 10.000 Mark, die die Steuerzahler von West-Berlin aufgebracht haben,
die soll mal der Rechtsanwalt Mahler kriegen, damit er die Terroristen der
RAF verteidigen kann.
Dass dieser Mahler dann mit diesen 10.000 Mark nicht
die RAF verteidigt hat, sondern sich dafür - nehme ich mal an, ich weiß
es nicht - Maschinenpistolen gekauft hat und in den Untergrund gegangen ist
und selbst Terrorist wurde, das ist meine schuldlose Schuld an dieser Geschichte,
ja.
Durak: Danke schön, Wolf Biermann. Wir haben gesprochen im Nachgang
auf die Bundestagsdebatte
zu Joschka Fischer, über Gewalt in der Gesellschaft
und wie es dazu kam.
(c) ZEIT.DE
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