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Unwort des Jahres 2001.
Der Verein „Muttersprache“, Wien hat den neuen ORF-Ausdruck prime time zum Unwort des Jahres erklärt. Die Ersetzung der deutschen Wörter Hauptsendezeit oder Haupteinschaltzeit durch einen englischen Ausdruck ist höchst überflüssig, erfüllt keinen Zweck und beweist nur, dass den Werbeleuten kein zugkräftiger neuer muttersprachlicher Ausdruck einfällt. Selbstverständlich versteht jeder Österreicher, was damit gemeint ist, auch wenn er nicht Englisch kann, aber das Wort ist für ihn nur eine inselhafte Lautgruppe, man könnte genauso wummtbummt dazu sagen. Im Englischen ist das anders, denn jeder versteht dort das Wort prime, und es steht für Muttersprachler in einer Wortfamilie; z.B. gibt es die Verbindung in his prime „in der Blüte seiner Jahre“ u.ä. Außerdem ist die Aussprache durch die österreichischen Fernsehansager nicht gerade ein wahrer Genuss für echte Freunde der englischen Sprache. - Viele Einsendungen erboster Mitglieder unseres Vereines überzeugten uns davon, dass prime time (wie soll man es im Deutschen überhaupt schreiben?) die Österreicher wirklich belästigt und sich die Ernennung zum Unwort redlich verdient hat. Sprachbanause des
Jahres 2001. Diesen zweifelhaften Ehrentitel
wies der Verein „Muttersprache“ den Österreichischen Bundesbahnen
zu. So gut wie jeder neue Ausdruck ist denglisch, z.B.: RADticket,
WANDERticket,
McCalc-Euroumrechner, Tourplan, S-7 Countdown, Cargo-Struktur, Park
&
Wide, Familien-Special, Career Lounge, High-Tech-Stellwerk, Infocorner,
Touch Screen, Infotainrnent, Newsroom, Sitemap, e-Greetings, City
Shuttle,
Eurocity, Euro Train usw. Besonders
albern ist es, wenn drei deutschsprachige Staaten, Österreich,
Deutschland
und die Schweiz, zusammenarbeiten und dafür den Ausdruck TEE
Rail
Alliance wählen. Nicht nur die erwähnten
Wörter
sind ein Ärgernis, sondern die Einstellung, die dadurch zum
Ausdruck
kommt. Offensichtlich empfinden die ÖBB unsere Muttersprache als
entschieden
zu langweilig oder zu unschön, um damit Werbung machen zu
können.
Diese Haltung ist aber tödlich für jede Sprache. Wenn keine
neuen
Begriffe aus dem Wortschatz der Muttersprache gebildet werden, dann
erstarrt
sie und wird irgendwann überflüssig. Die Überzeugung,
dass
Deutsch nutzlos sei, zeigt sich nicht nur in der Werbung, sondern auch
in der Wissenschaft. Wenn
ausschließlich
deutsche Chemiker in Deutschland eine Tagung abhalten, dann wird
ausschließlich
Englisch gesprochen. Die überwiegende Mehrzahl der
wissenschaftlichen
Veröffentlichungen Deutscher erfolgt auf englisch, ja sogar
wenn die hehren Wissenschafter volkstümlich werden wollen und
Vorträge
auf Volkshochschulen halten, nennen sie dieses Unterfangen „science
goes public“, und die Wissenschaftswoche fürs Volk wird „science
week“ benamst. Und Englisch wird immer häufiger zur
Firmensprache
erhoben, sogar bei einem deutschen Verlag wie Bertelsmann; wobei
„Englisch“
etwas übertrieben ist, in Wirklichkeit spricht man BSE = bad
simple
English „schlechtes Einfachenglisch“. Wenn das so weitergeht,
dann wird die Sprache der Dichter und Denker
zur „Küchensprache“ absinken. In seinen eigenen vier Wänden
wird
man sich auf (denglisch-)deutsch unterhalten, die weniger Ausgebildeten
in den Unternehmen werden noch deutsch miteinander sprechen, aber die
Führungskräfle
der Betriebe werden englisch sprechen wie die Wissenschaftler, die
Werbeleute,
die Staatsmänner. In einer solchen Lage verliert aber eine Sprache
das Vermögen sich weiterzuentwickeln und lebendig zu bleiben.
Kämpfen
wir gegen diesen Missstand!
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